K a p i t e l S e c h s & d r e i ß i g
- Nino Angelotti
- Mar 21, 2015
- 4 min read
Die drei saßen auf den am Boden befestigten schlichten Stühlen und schauten still zum kleinen Fenster, durch das Tageslicht in die Zelle schien. Die Tür zu den Zellen wurde aufgeschlossen, Schritte kamen hörbar auf sie zu. Wönkelmeyer und Pieter schauten zu Foissel, der ungerührt ins Leere starrte .
"Come! Upstairs!"
Zwei Soldaten schlossen die Zelle auf, in der die drei Verdächtigen nun schon seit 16 Tagen einsaßen. Sie standen auf und ließen sich von den beiden Soldaten hinauf eskortieren. Pieter hustete stark und Wönkelmeyer hoffte, dass sein kleiner Compagnon bald wieder gesund sein würde. Sie wurden in ein Büro geführt, in dem zwei Männer auf sie warteten. Einer der beiden trug einen schwarzen Anzug. Der zweite Mann saß in einem Ohrensessel, mit dem Rücken zur Tür. Nur sein volles graues Haar war über der Lehne zu sehen.
"Sit down"
Die drei setzten sich und blickten gespannt zu dem Mann im schwarzen Anzug.
"You, Mister Foissel, you are a business man, you said you want to conduct business in Iran. You said your business partner is General Qasem Soleimani. The other two are - according to our files - criminals. Now tell us, why are you three coming to Iran, requesting to speak to General Soleimani?"
Foissel ergriff das Wort.
"General Soleimani has been an important business partner of Ködrichs Kartenmacherei, a famous card-maker in Berlin. I'm the new owner and as a business man it makes sense for me to talk to him about our business relationship."
"According to our files Mr. Ködrich died in prison before you bought his shop. How could you possibly know about his business relationships?"
"Well, as a good business man, Mr. Ködrich kept files on his business partners and transactions. Those files were part of the business I bought."
"Are you referring to the files in your suitcase?"
"Well, some of them are in my suitcase, but - as you will understand - I do not carry my extensive archives with me on business trips."
"Where do you have the other files?"
"Well, I think this is really none of your business"
Ein dunkles Lachen klang über die Lehne des Ohrensessels.
"Mr. Foissel, you need to understand that you are not in the position to say no to anything here. The military police of Berlin wants you. And it seems you fled here, trying to blackmail our authorities with those letters to give you shelter. So far, we have no reason to keep you here, Mr. Foissel. And even less so with respect to those crooks you brought along."
"Na hören Sie mal, was wagen Sie da zu behaupten? Sie wissen wohl nicht mit wem Sie es zu tun haben?!"
Pieter war sauer geworden, aufgesprungen und stand mit geballten Fäusten kampfbereit mitten im Büro.
"Pieter Wissarionowitsch Dschugaschwilli. Geboren am 5. März 1953 in Gori, Georgien."
Hinter dem Vorhang trat ein hagerer Mann mit Nickelbrille hervor, der ohne Unterbrechung fortfuhr Pieters Vermutung zu widerlegen, wobei er von einem tablet las.
"Sie waren ein intelligentes Kind, das in trostlosen Verhältnissen groß wurde. Ihre Geschwister starben früh. Ihr Vater hatte sich mit einer eigenen kleinen Schuhmanufaktur selbständig gemacht, war aber bald pleite und musste fortan in Tiflis arbeiten. Ihre Mutter war eine streng religiöse Frau, die Sie früh ins Priesteramt drängte. Ihre Familie besaß kaum das Nötigste zum Leben, ihr Vater trank, Schläge bekamen Sie von beiden Eltern häufig zu spüren. Ihre Kindheit war geprägt von Gewalt. Früh lernten sie zu hassen. In der Schule glänzten Sie mit hervorragenden Leistungen. Darüber hinaus besaßen Sie schon immer eine helle Stimme, einen schönen Tenor. Sie singen noch heute gerne und bei vielen Gelegenheiten. Ihr Hang zur Gewalt fiel bald auf und Sie verstanden es früh, zu dominieren. Gegen den Willen des Vaters traten Sie in das orthodoxe Priesterseminar in Tiflis ein, die damals wichtigste Bildungsanstalt Georgiens. Doch das Seminar besaß einen zweifelhaften Ruf. Die Schüler wurden von den Mönchen und Lehrmeistern eher unterdrückt als unterrichtet, das Seminar glich einer Strafanstalt. Neben einer klassischen Bildung erlernten Sie hier die feinen und perfiden psychologischen Mechanismen der Unterdrückung, Selbstbehauptung und Drangsalierung von Konkurrenten. Sie lasen alles, was Sie in die Finger bekamen. Darwins bahnbrechende Arbeit "Von der Entstehung der Arten" hinterließ einen tiefen Eindruck in Ihnen, längst hatten Sie sich zum überzeugten Atheisten gewandelt. Bald gelangten Sie in Kontakt mit verbotener Literatur, die Ihre ganze Aufmerksamkeit fesselte: die Klassiker des Marxismus. Wenig später beschlossen Sie Berufsrevolutionär zu werden und sich den subversiven Kräften anzuschließen, die die Regierung stürzen wollten. Ein Jahr später wurden Sie wegen revolutionärer Umtriebe aus dem Priesterseminar ausgeschlossen. Sie entzogen sich der Wehrpflicht und gingen in den Untergrund. Die kommenden 20 Jahre verbrachten Sie als angehender Berufspolitiker in der Illegalität. Sie wurden Mitglied der kaukasischen Sektion der "Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands", organisierten Streiks und Demonstrationen unter Eisenbahnern und Ölarbeitern und begangen im großen Stil Raubüberfälle und erpressten Schutzgelder. Ihr Leben im konspirativen Untergrund wurde immer wieder von Verhaftungen und Verbannung nach Sibirien unterbrochen, aus der Sie jedoch jedes Mal umgehend zurückkehrten, da die Ihnen auferlegten Strafmaßnahmen nur halbherzig kontrolliert wurden. Sie setzten sich mit Ihrer damaligen Freundin Jessica nach Berlin ab, wo Sie im Drogenmilieu untergeordnete Verwaltungstätigkeiten ausführten. Ihre Identität verbargen Sie strengstens, wobei Ihnen das kindliche Aussehen zugute kam. Zuletzt entzogen Sie sich einer Verhaftung am 4. März in einer Weddinger Wohnung. Ein Komplize, der im Hausflur Widerstand leistete, wurde von den Beamten der Kriminalpolizei erschossen."
Pieter setzte sich verstört wieder hin. Der Mann im Ohrensessel drehte sich schwungvoll herum. Er hatte dichtes graues Haar und einen gut gestutzten Vollbart. Seine olivgrüne Uniform war übersät mit Abzeichen.
"We have many questions for you. Russian revolutionaries, a small crook with Persian roots, and you, Mr. Foissel. Indeed, I knew Mr. Ködrich. He was a reliable man. But he is dead now. You bought his business immediately after he was found dead. And now you are here, travelling with Mr. Wönkelmeyer, who was in the same prison at the time of Mr. Ködrich's death. Tell us, why you are really here."
Foissel sah dem Grauhaarigen direkt in die Augen, er wirkte ruhig und entschlossen.
"I have a personal problem with the Military Police's President Waldemar Abraxas Merz. I want him dead. Whatever Ködrich did for you, I am willing to continue doing it, if you help me with Merz."
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