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K a p i t e l V i e r z e h n

  • Nino Angelotti
  • Feb 10, 2015
  • 3 min read

Auf dem Wannsee tobten Schaumkronen, der Regen prasselte gegen die großen alten Doppelfenster der Villa Herz. Waldemar Abraxas Merz saß mit dem Rücken zum Fenster hinter seinem riesigen Schreibtisch aus Kirschholz. Er schaute grimmig grübelnd in den großen hallenartigen Raum, dessen Wände holzbetäfelt waren. Selbst Merz, der beinahe 2 Meter hoch und sicher mindestens 130 Kilogramm schwer war, sah in diesem Raum, hinter diesem Schreibtisch klein aus. Vor ihm lag ausgebreitet die Zeitung, daneben stand das große schwarze Telefon. In seiner gewaltigen fleischigen Hand hielt Merz jenen dicken schwarzen Füllhalter, den seine damalige Frau ihm anlässlich seiner Ernennung zum Polzeipräsidenten geschenkt hatte. Er saß mit leicht nach unten geneigtem Kopf, seine dünnen Haare, die er schräg nach hinten über die Glatze gekämmt hatte, hingen nach vorne über die Stirn. Seine fleischige Unterlippe stand vor und er entließ seinen heißen, schweren Atem wie ein Walroß rasselnd in den Raum.

Es klopfte dreimal dumpf an der großen Tür. Merz hob den Kopf, wischte sich die geölten Haare über die Glatze und schluckte das Wasser, das sich zwischen seinen breiten Zähnen in einer übelriechenden Pfütze gesammelt hatte.

"Ja, herein!"

"Polizeipräsident Merz, Heuber und Hufnagel melden sich zum Rapport"

"Kommen Sie rein, Sie sind spät dran"

"Herr Polizeipräsident, es ist 21:28, wir sollten um 21:30 hier sein, sind folglich sogar 2 Minuten früher als erforderlich..."

Heuber versagte die Stimme. Merz stand unmittelbar vor ihm, sein fetter Hals quoll ihm über den Kragen seiner dunkelblauen Uniform, auf seiner breiten Stirn zeichneten sich deutlich große Adern ab. Er schaute Heuber wütend in die Augen.

"Herr Polizeipräsident, wie Kollege Hufnagel sagen wollte, bitten wir für unsere Entschuldigung um Verzeihung und bitten ferner um die Erlaubnis, Ihnen die Ergebnisse der heutigen Observierung in Kürze darlegen zu dürfen"

"Gut, Heuber, fahren Sie fort, Hufnagel"

"Wir observierten das Objekt nach Maßgabe unserer Einsatzbeschreibung und unter Wahrung aller sonstigen formalen sowie substantiellen Anforderungen in ziviler Tarnung von 7:00 bis 20:00 aus einem silbernen Pkw Golf Variant, Kennzeichen BI6UL..."

Er wurde durch Heubers Kichern unterbrochen. Hufnagel hatte ihn auf der Treppe noch nach dem Kennzeichen des Golfs gefragt. Und nun war er ihm, Gerwin Heuber, auf den Leim gegangen. Das einzige was Merz an dieser kleinen Verarsche gefiel, war dass sie auf Kosten einer Minderheit ging und ihm einen Anlass gab, einen seiner Untergebenen zurechtzuweisen.

"Sie Idiot! Lassen sich vom Heuber verarschen, wo Heuber hier schon der dümmste Bauer in der ganzen Truppe ist. Hufnagel, Sie sind demnach noch dümmer als der Heuber! Der Heuber ist dumm, aber Sie sind dümmer! Heuber, Sie fahren fort"

"Im Laufe des Tages zählten wir 137 Eintritte und 137 Austritte, es sind also genauso viele Personen hineingegangen, wie bei Betriebsschluss auch wieder herausgekommen sind. Nach unserer Einschätzung lag in allen 137 Fällen Personenidentität zwischen Ein- und Austretenden vor. 36 Personen konnten wir als botsschaftsangehörig identifizieren, davon 29 Botschaftsangestellte und 7 selbständige Übersetzer. Die übrigen 101 Personen haben wir in zwei Kategorien aufgeteilt: auffällig und unauffällig."

"Gut, Heuber. Sie sind dumm, aber nützlich. Schlüsseln Sie die Gruppe der Auffälligen auf"

"Genau genommen ist es nur eine Kategorie, keine Gruppe, denn nur ein Fall war auffällig"

"Nur ein Fall, nur ein Fisch? Dann hoffe ich für Sie, dass es ein fetter Fisch war, ein Blauwal"

"Herr Polizeipräsident, der Blauwal ist ein Säuger..."

Karsten Hufnagel konnte nicht zuende sprechen, denn die kalte, schwitzige Hand des Polizeipräsidenten drückte ihm die Kehle zu. Das ruckartige Zupacken hatte dessen dünne, ölige Haare vor die Stirn befördert, Merz' Mund stand offen und seine aufgerissenen Augen fixierten den um Gnade röchelnden Untergefreiten.

"G e s c h m e i ß"

Mit einem dumpfen Poltern landete Hufnagel auf dem alten Parket, wo er sich zusammenrollte und nach Luft jappste. Heuber hielt es für sinnvoll seinen Rapport fortzuführen, denn er wollte pünktlich nach Hause, wo seine Freundin Jasmin mit Königsberger Kloppsen wartete.

"Einzig auffällig war das Erscheinen des Kartenmachers Foissel, Belgier, mit dunkelrotem Diplomatenkoffer, Eintritt 17:26, Austritt um 18:26. Bisland war keine Verbindung Foissels zu iranischen Kreisen bekannt"

"Foissel, der freche Belgier. Dieser minderwertige Lockenkopf. Ihre Mission wird um einen weiteren Tag verlängert, das Objekt ist ab sofort Foissel. Ich will wissen, was er tut, wen er sieht, mit wem er spricht, schläft und was zum Teufel diese kleine Missgeburt mit den Iranern zu schaffen hat. Nehmen Sie ihren Kollegen mit und bringen Sie mir reichlich von Königsberger Kloppsen mit morgen, reichlich!"

***


 
 
 

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