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K a p i t e l S e c h s

  • Nino Angelotti
  • Feb 8, 2015
  • 2 min read

Der leichte Regen machte Karsten Hufnagel nichts aus. Seine schwarz glänzenden Schachtstiefel schnalzten gierig durch die Pfützen. Der Materialwart hatte sie frisch gefettet. Mit Murmeltierfett. Karsten Hufnagel fühlte sich gut in seinen Stiefeln und der Uniform unter seinem regendichten Kradmantel. Durch das Fenster hatte er Foissel schon von weitem im Laden stehen sehen.

„Guten Tag“

„Ich grüße Sie Herr Hufnagel, ich habe Sie etwas später erwartet“

„Ihre Erwartungen sind für mich irrelevant. Der Herr Polizeipräsident braucht die Einladungen sofort.“

„Sofort? Ich fürchte, vor 16 Uhr werden sie nicht fertig, sie müssen trocknen. Herr Hufnagel, Sie hätten Express bestellen sollen.“

„Das tue ich hiermit, Foissel. Sie geben jetzt besser Vollgas, oder Sie machen Bekanntschaft mit meiner Mauser“, dabei gab er, mit der rechten Hand den Mantel zurückschiebend, den Blick auf seine Pistole frei. Was nun, Belgier? Jetzt geht Dir die Muffe, Du Haubentaucher, was?

„Einen Augenblick bitte“ Foissel drehte sich um und stieg eine schmale Treppe hinab. Los, Belgier, tu wie Dir geheißen.

Von unten war eine weitere Stimme zu hören, doch die geflüsterten Gesprächsfetzen konnte Hufnagel nicht verstehen. Fremdsprachen, gerade solche kleiner Nachbarländer, hatte er immer abgelehnt. Das Klacken kleiner Schuhe auf den schmalen Stufen kündigte den Belgier an, der wenig später wieder hinter der Ladentheke stand.

Seine traurigen Tränensäcke hingen matt unter seinen Augen, aus denen er den streitsüchtigen Kunden widerwillig musterte.

„Sie sind noch nicht ganz trocken, und ich muss Sie darauf hinweisen, dass möglicherweise die feinen roten Linien verwischen, wenn wir die Karten jetzt schon abhängen“

Regenwasser tropfte von Helm und Mantel auf den Gorgan-Teppich, der noch aus der Zeit des alten Ködrich stammte.

„Lassen Sie mich vorher mit dem Polizeipräsidenten sprechen.“

„Nehmen Sie Ihre kleinen Griffel vom Fernsprecher, Foissel, und machen Sie hier nicht‘n Belgischen. Holen Sie die Einladungen. Jetzt“

Foissel fühlte sich unwohl, er mochte diesen jungen Mann mit dem feinen Schnurrbart und den schlechten Manieren nicht. Er mochte die Militärpolizei insgesamt nicht und hielt deren Stationierung in Berlin für eine schlechte Entwicklung. Als Karsten Hufnagel mit den Einladungen den Laden verließ, schloß Foissel hinter ihm ab und stieg die Treppen hinunter, um den alten Diplomatenkoffer zu untersuchen, den Beatrice dort unten gefunden hatte.

***


 
 
 

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