K a p i t e l Z e h n
- Nino Angelotti
- Feb 7, 2015
- 2 min read
"So, Beatrice, nun lass uns mal das Köfferchen unter die Lupe nehmen, nech"
"Ist der Polizist endlich gegangen, ja? Hörte sich unangenehm an"
"Ist er auch, ist er auch, aber nun zeig mal her das Köfferchen"
Die kleine braunhaarige Frau mit dem langen Pferdegesicht legte einen kleinen dunkelroten Diplomatenkoffer auf den vor ihr stehenden Holztisch. Das Kellergewölbe war ebenso aufgeräumt wie der Laden, nut war es hier dunkler und etwas geräumiger. Beatrice saß mit dem Rücken zur Wand und hatte sich eine braune Wolldecke über den Schoß gelegt. Sie war sehr klein, beinahme ein Zwerg und auf ihrer Nase saß eine schmale Brille in dem vergeblichen Versuch, von ihrem langen Gesicht abzulenken. Sie mochte Foissel, seine schönen Anzüge und seine sanfte Art, und sie hatte sich damit abgefunden, dass er auf ihre Annäherungsversuche nie eingegangen war. Es war ihr letzter Versuch gewesen mit den Männern.
Foissel tastete mit seinen kleinen Händen den Koffer ab.
"Ich vermute, dass da Dokumente drin sind. Noch vom alten Ködrich, nehme ich an"
"Gott hab ihn seelig"
"Ja, aber nun müssen wir das Köfferchen aufknacken, nech. Reich mir doch mal den Schraubendreher"
Sie bewunderte ihn für seine Geschicklichkeit und seine Geduld. Beides beeindruckte sie sehr, vor allem wenn er Karten malte. Schön ist er nun wirklich nicht, aber so geschickt und zart. Sie war froh, dass sie ihn getroffen hatte, denn alleine könnte sie den Laden nicht führen. Dass Rahnemann Ködrich ihr den Laden vermacht hatte! Andererseits schien es naheliegend, denn sie hatte bei ihm 19 Jahre gearbeitet und er hatte - soweit sie wusste - keine Familie mehr. Er war so gewissenhaft mit seiner Arbeit gewesen, dass es Privates zwischen ihnen nie gegeben hatte. Und doch war ihm niemand näher gewesen als sie.
Im Frühjahr und im Winter war sie alleine für den Laden zuständig, wenn Ködrich im Iran unterwegs war. Seit der Eröffnung seines Ladens nach Kriegsende hatte er dort Kunden gehabt, mit denen er nicht nur beträchtliche Umsätze machte. Er fertigte besondere Karten an, mit noch ausgewählteren Materialien und noch mehr Sorgfalt. Diese Kunden musste große Feste feiern, denn sie orderten riesige Serien, deren Lieferung Rahnemann Ködrich dann mit einem persönlichen Besuch verband.
"So, Beatrice, wir habens." Er schaute sie vorfreudig an, drehte den noch geschlossenen Koffer zu ihr und öffnete ihn langsam.
"Na, was siehst Du, Beatrice?"
"Papiere, aber alles auf persisch oder so, und ... warte, ja ein Umschlag....mit einer Karte, auf der eine
Telefonnummer steht, eine Berliner Nummer."
Er drehte den Koffer zu sich, um sich selbst einen Eindruck zu verschaffen, und schob die Papiere zur Seite.
"Na sieh mal einer an, Geld, Beatrice. Das müssen ja mindestens...lass mich sehen...mindestens ja, das sind jeweils 10 Tausend, also insgesamt 50 Tausend Dollar. Und sieh mal hier, das sieht nach chemischen Formeln aus, wahrscheinlich seine Farben. So wie ich es sehe, brauchen wir jemanden, der persisch spricht"
Er schaute sie glücklich an. Schön war sie nun wirklich nicht. Aber über ihre Bewunderung gefile ihm sehr. Er hatte sich auch inzwischen damit abgefunden, dass sie auf seine Annäherungsversuche nie eingegangen war. Es war sein letzter Versuch gewesen mit den Frauen.
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